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Probiert wird am Feiertag des hl. Giorgos


Weinernte in Kamilari mit Freunden und Familie

(Bericht von Alice Gempfer)

Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, als sich um 7 Uhr eine bunt gemischte, internationale Gruppe auf der Terrasse der Taverne "Milonas" trifft. Die Luft ist angenehm und lässt ahnen, dass es wieder ein heißer Tag wird in Kamilari. Irgendwo in der Ferne kräht ein Hahn, ansonsten ist es noch still im Dorf. Dann knattert ein Moped, Manolis Spiridakis, der das Milonas gemeinsam mit seinem Bruder Giorgos betreibt, braust an: „Kalimera!" Giorgos selbst ist bereits bei seinen Weinstöcken ein paar Kilometer entfernt und bereitet alles vor. Heute ist Erntetag. Knapp 20 Freiwillige, Kreter, Engländer, Franzosen, Belgier und Deutsche, haben versprochen zu helfen. Für Giorgos sind sie alle „friends and family“. Manolis führt die gut gelaunte Truppe zum Weingarten. Der Jüngste unter den Traubenpflückern ist Luis, er ist mit seinem Vater Markus dabei. Andre ist noch ein bisschen müde: „Gestern gab es eine Fete", sagt er und schmunzelt, seine Augen blitzen unternehmungslustig. Der gebürtige Flame hat sich mit seiner Frau auf Kreta niedergelassen. Auch die französischen „Erntehelfer" Francoise & Georges sowie Alain & Nadine haben Kamilari zu ihrer zweiten Heimat gemacht, der Hauptwohnsitz ist allerdings noch in Frankreich. Dominique ist ebenfalls Franzose - und passionierter Traubenpflücker. Er hilft auch in seinem Heimatland oft bei der Lese. Die Deutsche Maria hat neben dem Milonas eine Wohnung gemietet und gehört quasi zur Familie. Mitgebracht hat sie auch Giorgos und Manolis Nichte Giorgia. Mary und Roger aus Irland sind ebenso dabei, wie Lou und Paul aus England, letztgenannte bereits im zweiten Jahr. Ulrike und Michael nebst Sohn sowie Alice und Bernd aus Deutschland komplettieren die Gruppe der internationalen Kamilari-Fans.

Am Weinberg mit Panoramablick auf das Idagebirge angekommen, ist alles perfekt vorbereitet. Sonnenhüte, spezielle Zangen und ausreichend Wasser für die Helfer stehen bereit, überall zwischen den Reihen mit Weinstöcken warten bunte Plastikkisten darauf, gefüllt zu werden. Giorgos und sein gleichnamiger Onkel nehmen die Helfer in Empfang, und schon geht’s los. Unterstützt auch von zwei pakistanischen Erntehelfern arbeitet die Gruppe emsig – aber keineswegs verbissen: Immer wieder werden in verschiedenen Sprachen Scherze übers Feld gerufen, es wird viel gelacht. Etwa darüber, wer sich wohl am Vorabend nicht ganz an die Warnung gehalten habe, die Giorgos – allerdings augenzwinkernd – ausgesprochen hatte: „Kein Wein und Raki vor der Weinernte!“ Geschichten werden erzählt, Menschen lernen sich kennen. Manolis, dessen Frau und Kinder in den Niederlanden leben, unterhält sich mit Andre auf Holländisch. Auch um Politik geht es hier und da, dabei wird deutlich: Die griechische Wirtschaftskrise spielt hier keine so große Rolle.

Giorgos selbst ist ganz offensichtlich voll in seinem Element – und scheint überall zu sein. Er organisiert, lacht, motiviert, erntet mit und düst mit seinem nicht mehr ganz modernen Trecker durch die Reihen seiner Weinstöcke. Zwischendurch telefoniert er, schließlich will auch das anschließend geplante Essen für alle Helfer auf seiner benachbarten Farm geplant sein. Er sei glücklich mit der Ernte, berichtet er angesichts der prallvoll hängenden Stöcke. Dabei sei es auf Kreta eigentlich kein besonders gutes Jahr für den Wein: „Zuviel Feuchtigkeit im August.“ Die greife die Haut der Trauben an und lasse sie faulen. Glücklicherweise hat Giorgos auf Syrah-Trauben gesetzt: „Die haben eine dickere Schale und sind daher nicht so empfindlich.“ Daher wird der Wein diesmal auch anders ausfallen. „Im vergangenen Jahr habe ich gemischt“, berichtet Giorgos, „70 Prozent eigene Syrah-Trauben und 30 Prozent Merlot-Trauben, die ich von einem Freund dazugekauft habe.“ Der Jahrgang 2015 wird ein reiner Syrah-Wein. Jetzt, im siebten Jahr, sei die Qualität der Trauben optimal, freut sich der Weinbauer.

Die reiche Ernte sei aber nicht nur der Sorte geschuldet. Giorgos versorgt die Weinstöcke regelmäßig mich reichlich Dung von seinen Farmtieren, das sind unter anderem Kühe, Pferde, Schafe, Ziegen und Hühner. Eigentlich aber habe er die beeindruckenden 2500 Kilo Trauben, die es am Ende sein werden, seiner Mutter Giorgia zu verdanken. „Sie war jeden Tag in der Kirche und hat dafür gebetet, dass es anderswo regnet“, erzählt er und lacht. Ein Scherz.

Kurz darauf trifft Giorgia (75) auch ein, gemeinsam mit dem Vater Michalis (77). Beide haben es an dem Tag übernommen, die Tiere alleine zu versorgen und lassen es sich nun nicht nehmen, auch bei der Lese zu helfen. Derweil ist über der Messara-Ebene die Sonne aufgegangen, es wird heiß. „Pause!!!“, schallt Giorgos Stimme über das Feld, die Helfer legen die Zangen nieder und kommen unter einem alten Olivenbaum zusammen. Der „Chef“ persönlich mixt Jedem einen „Frappé“, den typisch griechischen aufgeschäumten kalten Kaffee, wahlweise mit Milch oder Zucker. Als Tresen dient eine Baggerschaufel. Und wieder passt Giorgos Wahlspruch: „No stress…“

Und weiter geht’s. Schon bald kann Giorgos beginnen, die vollen Kisten mit dem Traktor einzusammeln, die ersten Reihen sind abgeerntet. Die Truppe ist immer noch guter Laune, wenn auch langsam etwas erhitzt, die Finger sind blau vom Traubensaft. Außer Lou`s, sie hat aus dem Vorjahr gelernt und sich dünne Arbeitshandschuhe mitgebracht. Allen anderen verspricht Giorgos anschließend eine Maniküre, „aber nur für die Frauen“, sagt er schmunzelnd. Mit vereinten Kräften werden schließlich die Trauben von den letzten Stöcken gepflückt, die Männer verladen die Kisten auf einen kleinen Transporter. Den lenkt Giorgos selbst und führt alle zur Farm.

Dort angekommen, gibt’s erst mal ein kühles Bier und Wasser, auf dem Grill brutzelt schon das Fleisch. Die Grillmeister heißen Adonis, Giorgos und Giorgos, sie alle sind Freunde von… Giorgos. Er selbst schmeißt bereits die Weinpresse an und erzählt, wie es dann weitergeht: „Der Traubenmost, also das Gemisch von gepressten Trauben, Haut und Kernen, muss nun drei Tage in Bottichen ruhen. Anschließend wird der Saft separiert.“ Auch der „Rest“, also der Trester, ist wichtig, aus ihm wird Giorgos im November in seiner eigenen Destille Raki brennen. Der Most wird rund sechs Wochen lang täglich auf seinen Zucker- und Alkoholgehalt geprüft. Wenn aller Zucker in Alkohol umgewandelt ist, wir der junge Wein in Stahlbehälter umgefüllt. Traditionell wird der Wein am 3. November erstmals probiert. Das ist der Feiertag zu Ehren des heiligen – wie könnte es anders sein – Giorgos. In Flaschen abgefüllt wird er dann im Frühjahr.

Giorgos gesellt sich wieder zum Erntetrupp, auch seine Freundin Sophie ist jetzt da. Sie hat für alle frischen Salat gemacht und Brot mitgebracht. Nach einem Dank an alle, der mit einem „Jamas“, dem griechischen Trinkspruch endet, gibt es Essen. Mutter Giorgia serviert als Vorspeise „Fava“, das typische Bohnenpüree, nach altem Hausrezept, und Ziegenkäse aus eigener Produktion. Die Arbeit im Weingarten hat hungrig gemacht und die Helfer genießen das Essen. Auch den Nachtisch hat Giorgia zubereitet, ein süßes Dessert, das aus Traubenmost hergestellt wird. „Life is so simple“, sagt Giorgos wieder einmal und blickt zufrieden in die Runde.

In einem waren sich alle „Traubenleser“ einig: Jetzt wird man den roten Hauswein in der Taverne Milonas noch bewusster genießen. Und genau da klingt der Tag nach einer Ruhepause für manch einen Helfer am Abend auch aus: Bei einem guten Essen mit Fleisch und Gemüse von der Farm, serviert von Manolis und Giorgos. Zum Abschluss gibt’s, wie immer auf Kreta, einen (oder zwei) Raki aufs Haus. Bleibt nur zu sagen, was auch die Kommentare auf facebook dokumentieren: Ein toller Tag und eine weitere schöne Erfahrung in Kamilari.

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